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Überdosis Glücksgefühle

Kennt ihr das auch, dass man vor lauter Ideen nicht mehr einschlafen kann und es im Hirn nur so sprudelt? Mir gehts zurzeit so, mehr dazu später.


Seit dem 19. September bin ich alleine mit Sämi unterwegs. Roger ist zusammen mit seinen Freunden aus Deutschland, wie jedes Jahr in den Herbstferien, in die Türkei gereist. Er macht dort Cluburlaub. Nein, kein Swingerclub, so wie ich einige falsch informiert hatte. Ich habe da was verwechselt! 🙈 Es ist ein Robinsonclub für junge, sportliche Leute. Nicht meine Welt, deshalb würde mich Roger da auch nie mitnehmen. Solche Sachen macht er besser mit seinen Freunden, da hat er viel mehr Spass. Hotels sind nichts für mich, ich bin lieber in der Natur oder im Bus!! 🚐


Zuerst hatte ich Bedenken, ob ich nach sieben Monaten alleine reisen kann. Ich dachte ich habe in der Nacht alleine im Bus Angst. Aber Sämi hat ja auch nur einen Raum. Ich kann nämlich nicht in Wohnungen mit mehreren Räumen leben. Das macht mir Angst. Ich habe es gerne klein und fein und Küche, Schlaf- und Wohnzimmer in einem Raum. Deshalb träume ich auch schon lange von einem Tinyhouse auf Rädern. Dann kann ich immer wieder umziehen, habe immer alles dabei und muss nicht sesshaft werden. Aber eben, nun bin ich seit fünf Tagen alleine unterwegs und ich fühle mich pudelwohl. Ich blühe richtig auf, mache was ich will und erlebe tagtäglich so viel, dass ich vor Glück fast platze. Roger hat mir mal gesagt, dass er Niemanden kenne der so viel Selbstgespräche führe wie ich... jetzt weiss ich was er meint. 🙈 Auf dem Velo habe ich schon immer mit mir geplaudert und nun natürlich noch beim Autofahren, essen etc. Es fällt mir jetzt so richtig auf, dass ich viel mit mir selber spreche!! Aber es gibt bestimmt Schlimmeres!! *grins* 


Am Montag fuhr ich mit dem Rennvelo auf den Mont Ventoux. Einen unter Velofahrern berühmter Berg. Bei mir schon lange auf der Bucketlist. Leider machte das Wetter nicht mit. Es war neblig, arschkalt und dazu blies ein kühler und starker Wind. Eigentlich wollte ich den Berg von zwei Seiten hochfahren. Weil ich oben aber meine Füsse und Hände nicht mehr spürte, fuhr ich nur einmal hoch und direkt wieder zurück zu Sämi wo ich mich bei einer heissen Suppe wieder aufwärmte. Es hatte wirklich sehr viele Velofahrer. Die meisten hatten ihre Begleitfahrzeuge. Fast ausschliesslich der Mann auf dem Velo und die Frauen im Auto am Anfeuern und Verpflegen. Zwei Damen waren Fan von mir und feuerten mich immer lautstark an. Sie fanden es cool, dass ich ihre Männer überholte und gleich stehen liess. Ok, die waren aber auch etwa 15 Jahre älter als ich!! 🙃 Es hatte sogar extra ein Putzfahrzeug welches das Laub etc. von der Strasse wischte, damit die Abfahrt für die Velofahrer sicherer ist!! Welch ein Service. Alle paar Kilometer hatte es zudem eine riesen Mülltonne für Gels etc. Leider gibt es aber unter den Velofahrern immer noch Vollidioten, welche die leere Verpackung von Riegeln einfach auf den Boden schmeissen. 


Ich fuhr dann gleich weiter in Richtung Spanien. Mein Corona Antigentest war nur noch wenige Stunden gültig und ich wusste nicht wie die Spanier drauf sind. An der Grenze wurde ich dann tatsächlich rausgenommen, aber nicht wegen Corona, davon wollten sie gar nichts wissen. Sie wollten mir nicht glauben, dass ich als Frau alleine und ohne Plan einfach so durch Spanien reise? Ich sagte sie dürfen gerne im Bus nachschauen, ich schmuggle Niemanden über die Grenze. Den Bus wollten sie dann doch nicht anschauen und sie liessen mich weiterfahren und wünschten mir eine gute und sichere Reise.


Bei meinem zweiten Übernachtungsplatz in der Nähe von Montblanc in Spanien kam sogar die Polizei vorbei. Sie fragten mich warum ich nicht auf dem offiziellen Stellplatz sei? Ich sagte dann dort habe es eine Barriere und ich sei nicht gerne von Leuten abhängig und dieser Platz sei doch auch schön. Sie fragten dann ob ich alleine sei und hier schlafen wolle? Ich sagte, ja gerne möchte ich hier schlafen wenn das ok ist. Sie schmunzelten und liessen mich dann sein und wünschten sogar einen guten Aufenthalt. Ich glaube hier habe ich den Frauenbonus gezogen. Zu zweit mit Roger hätten wir wohl auf den kostenpflichtigen Stellplatz umziehen müssen. 


Und um zurück zu meiner Angst in der Nacht zu kommen. Ich habe nicht Angst vor wilden Tieren, ich habe Angst vor Menschen. Schon seit ich denken kann, kann ich im Dunkeln nicht an einem Waldrand vorbei und schon gar nicht in eine Stadt. Deshalb übernachte ich alleine auch nicht auf abgelegenen Plätzen im Wald. Da würde ich mich in der Nacht nicht mal mehr zum Pinkeln aus dem Bus wagen. Da bräuchte ich Windeln!! 🙈 Zum Glück hatte ich bisher überhaupt keine Angst. Ich konnte letzte Nacht nur nicht schlafen, weil ich so viel erlebe und so viele neue Ideen habe und es mit Niemandem teilen kann. Wenn ich eine Idee habe, dann möchte ich diese immer gleich umsetzen. Letzte Woche, noch in der Schweiz, durfte ich die Nähmaschine von Rogers Mami ausleihen. Ich nähte an dem Nachmittag gleich mehrere Stirnbänder und Amadiesli. Nun habe ich im Internet bereits mehrere Stoffe bestellt und mir eine Liste gemacht was ich noch alles nähen könnte. Auch habe ich Ideen was ich aus meinen alten Skifellen, Jeans etc. nähen möchte. So kann ich alles recyclen und dann neu für etwas anderes brauchen.


Für meine Gäste der Transalp habe ich ein Transalp Magazin geschrieben und gestaltet. Auch da habe ich ein paar kreative Ideen für weitere Sachen. Nur leider kann ich den Laptop jeweils nur während dem Autofahren laden. Deshalb kann ich nicht immer an meinen Ideen arbeiten und es "chribelet" mich dann gehörig. Und seit ich alleine unterwegs bin sprudelt es noch viel mehr, weil ich keine Ablenkung und Niemandem zum quaseln habe. 


Ja, warum bin ich eigentlich in Spanien. Ich hätte im Juli 2020 an einem Bikepacking Abenteuer durch die Anden teilgenommen. Der Event musste leider, ihr wisst wohl alle warum, abgesagt werden. Mein Startplatz wurde dann für den Event in Portugal übertragen. Vom 4. - 9. Oktober heisst es für mich 1'000 Kilometer und 12'000 Höhenmeter mit dem Rennvelo zu absolvieren. Man bekommt die Route aufs GPS und muss alles selber mitnehmen. Wann ich wo esse oder mich mal ausruhe ist mir überlassen. Roger darf mich an der Strecke, wenn er will, zwar anfeuern, mir aber nicht helfen oder etwas zu trinken oder essen geben. Auch darf ich mich natürlich nicht im Sämi ausruhen. Meine Vorbereitung ist zwar alles andere als ideal. Ich hatte mein Rennvelo wegen Defekten über zwei Monate nicht dabei und erst 3'300 Velokilometer in den Beinen. Immerhin noch 1'200 Kilometer mit dem Bike. Aber was solls, der Weg ist das Ziel. Ich fahre einfach so weit und so lange ich Lust habe. Es ist eine total neue Erfahrung. Ich weiss nicht wo und wie ich mich dann ausruhen soll. Ich gehe einfach drauflos und lasse mich treiben. Go with the flow wie Roger immer sagt!! 


Heute habe ich als Training eine wunderschöne Tour in der Sierra Nevada unternommen. Seit langem wieder mal über 100 Kilometer am Stück. Es waren am Schluss 120 km und knapp 3'000 Höhenmeter. Wie ich 1'000 Kilometer schaffen soll, das ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel!! Aber egal, ich bin überwältigt von der Schönheit dieser Region, vom alleine Reisen, vom Leben als Nomadin und meinem Glück, dass mein Leben in die richtige Richtung läuft und ich meinem Traum vom Digitalnomaden immer mehr Stück für Stück näher komme und hoffentlich nie mehr einen festen Wohnsitz haben muss. Deshalb gehe ich einfach an den Start und fahre so weit es eben geht. Ich mache es für mich und muss Niemandem etwas beweisen.


Danke fürs "zuhören/lesen", so muss ich heute Abend weniger Selbstgespräche führen!!! 🤣


Pura vida

Cristina

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