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Tour du Mont Blanc

Lange ist es her seit meinem letzten Blogbeitrag. Roger ist zurück in der Schweiz und muss ab Anfang August wieder an seiner Schule im Baselbiet antreten. Und ich bin bereits seit Mai wieder am arbeiten, wobei ich mir den Luxus leiste, mit einem 50 % Jahresarbeitspensum immer noch viel Freiheit und Zeit für meine Projekte und das wirkliche Leben zu haben. Bereits vor der Reise kam ich mit wenig aus. Ich lebe sehr bescheiden und kaufe mir nur, was unbedingt nötig ist. Auch jetzt bleibe ich meinem Budget von maximal CHF 25.00 pro Tag treu. Inklusive GA, aber natürlich ohne die Miete, Steuern und Krankenkasse. Für diese obligatorischen Ausgaben lege ich den Rest, der mir Ende Monat bleibt, zur Seite. Geld hat mir noch nie etwas bedeutet und mein Reichtum ist meine Freiheit und das Leben so zu leben wie ich es will. Ich fühle mich frei, unabhängig und ohne irgendetwas was mich bindet. Jederzeit bereit, meine Zelte wieder abzubrechen und weiterzuziehen. Jedes Mal, wenn ich unter der Woche für eine Nacht oder ein verlängertes Wochenende mit Roger im Sämi unterwegs bin, packt mich das Fernweh und ich würde am liebsten gleich wieder in die weite Welt losfahren. Zum Glück ist mein aktuelles Leben aber voller Abwechslung und auf der Riederalp bei Pro Natura fühle ich mich geborgen und unter Gleichgesinnten. Ich werde also bestimmt noch eine Weile bleiben und dabei viel Neues über unsere Natur, die Tierwelt und das Klima lernen. Eine sinnvolle Arbeit, für Themen die mir sehr am Herzen liegen. Ich freue mich über Besuch in der wunderschönen Villa Cassel und zeige dir gerne den Aletschwald oder gehe mit dir frühmorgens auf Wildbeobachtung oder wir bestaunen den leider immer kleiner werdenden Aletschgletscher. Und mit etwas Glück sehen wir die drei Bartgeier, welche immer wieder in der Gegend am Himmel ihre Kreise ziehen. 

 

Wie Roger in seinem letzten Beitrag am Ende geschrieben hat, wurde ich vor meinem grossen Projekt Transpyrenees leider krank. Kaum wieder am arbeiten und täglich unter Menschen hat mich das Corona-Virus auch noch erwischt. Natürlich just zum dümstmöglichen Zeitpunkt. Ich war noch zu meinem Freund Valentin nach Frankreich angereist, voller Hoffnung und dem Glauben, dass es mich nicht schlimm erwischt habe. Als ich mich am Morgen des Starttages jedoch vor lauter Schluck-, Ohren- und Kopfschmerzen kaum mehr auf den Beinen halten konnte, fuhr ich bitter enttäuscht acht Stunden mit dem Zug zurück nach Reckingen. Zeitlich hätte es mir nicht mehr bis nach Reckingen gereicht. Meine liebe Freundin Andrea holte mich aber zum Glück mit ihrem Auto in Brig am Bahnhof spätabends ab und fuhr mich zu meinem Studio nach Reckingen. Am nächsten Tag ging ich zum Arzt und mittels PCR–Test, nach zwei negativen Selbsttests, wurde Corona nachgewiesen. Eine Woche lag ich flach. Zwei Tage hohes Fieber. Ich schlief viel und hatte null Energie. Mein Freund Valentin absolvierte die Transpyrenäen alleine. Er schrieb mir von unterwegs, schickte mir Fotos und Sprachnachrichten. Er liess mich teilhaben und ich fieberte mit ihm und verfolgte ihn auf dem Livetracker. Er zog unseren Plan voll durch und trotzte dem üblen Wetter. Regen und Kälte begleiteten ihn und die anderen Teilnehmer über die 1080 km mit 33 Pässen und 24'000 Höhenmeter. Wahrscheinlich musste es so sein. Ich wäre ihm nur ein Hinderniss gewesen und hätte es bei Nässe und Kälte nicht geschafft. Mein grösstes Problem ist, dass ich, kaum bewege ich mich, abartig schwitze. Egal ob es kalt oder warm ist. Ich kann mich nicht bewegen ohne zu schwitzen. Und kaum bewege ich mich dann nicht mehr, friere ich wie ein nasser Pudel. Dazu kommt noch mein Raynaud-Syndrom. Es muss gar nicht wirklich kalt sein und ich spüre meine Finger nicht mehr. Sie werden weiss und ich kann weder bremsen noch selbständig eine Jacke anziehen noch die Verpackung eines Riegels öffnen. Ich liebe die Kälte und den Winter, wirklich gemacht dafür bin ich leider nicht. Ich bin eine richtige "Warmduscherin" und überlebe nur bei einfachen Bedingungen und Verhältnissen.

 

Die Enttäuschung war riesig und ich war schon lange nicht mehr so richtig krank. Auch nach zwei Wochen war ich noch schlapp und wünschte mir meine gute Form von vor der „Grippe“ zurück. Doch mit Ungeduld kommt man nicht weit. Deshalb versuchte ich das Positive daraus zu sehen und freute mich riesig, als ich mich wieder aufs Bike und Rennrad schwingen konnte. So entschied ich mich bald, ein Projekt welches schon lange in meinem Kopf schwirrt, anzupacken. Die Tour du Mont Blanc mit dem Rennvelo. 333 km und 8'500 Höhenmeter. Eine bekannte Runde, welche man gut in drei Tagesetappen absolvieren kann. Ich wollte aber versuchen die gesamte Strecke am Stück zu fahren und alles Notwendige in der grossen Satteltasche mitzunehmen. In Viviane fand ich rasch eine motivierte und vorallem sehr starke Begleiterin. Sie gewann im 2016 die Tortour Challenge und absolvierte mit mir die Tour Transalp im 2018. 

 

Am Freitag, 22. Juli war es endlich so weit. Wir trafen uns in Martigny am Bahnhof und starteten um 16.30 Uhr bei über 30 Grad in unser Abenteuer. Bereits beim ersten Pass mussten wir an einem Brunnen unsere Bidons neu mit Wasser füllen. Es war brutal heiss. Danach folgte der lange Aufstieg auf den grossen St. Bernard. Wir waren froh als wir endlich den Tunnel erreichten und für die letzten 7 km weniger Verkehr hatten. Oben bliess wie immer ein kühler Wind. Wir zogen unsere Regenjacken an und montierten die Lampen. Die Sonne ging langsam unter und die Dämmerung setzte ein. In der Abfahrt mussten wir ziemlich in die Pedalen treten, da uns der Wind entgegenblies. Auch fingen wir beide ziemlich an zu schlottern, völlig nass und durchgeschwitzt war die lange Abfahrt recht kühl. Kurz vor Aosta stoppten wir bei einer Bar, füllten unsere Bidons mit neuem Wasser und nette Italiener gaben mir die restlichen Happen ihres Apèros. Ich verdrückte dazu drei Riegel, welche wir in der Bar kaufen konnten. Leider hatten sie sonst nichts mehr zu essen. Wir fuhren ab dann in der Dunkelheit weiter. Ab Aosta wurde es wieder drückend heiss und stickig mit der hohen Luftfeuchtigkeit. Es lag der nächste lange Aufstieg vor uns. Irgendwann wurde mir sehr übel. Da war es mir gerade recht, als wir in einem Dorf an einem Dorffest vorbeifuhren. Ich sagte Vivianne ich müsse was Richtiges essen. Also hielten wir an. Zuerst gings für beide auf die Toilette und dann zu den Foodständen. Wir gönnten uns Chicken Nuggets und eine Portion Pommes. Kaum setzten wir uns zum essen hin, fing es an zu donnern und blitzen. Wir flüchteten zur Bushaltestelle. Kaum angekommen fing es an zu stürmen und intensiver Regen prasselte nieder. Ich checkte den Radar auf Meteoblue, welcher eine grössere Gewitterzelle anzeigte. Wir legten uns beide auf eine der Bänke und machten ein Powernap. Nach einer Stunde hatten wir ziemlich kalt und es regnete immer noch. Wir machten uns auf die Suche nach einem trockenen und warmen Ort. Als ich eine Bank mit einem Bancomat erblickte, ging ich sofort hin. Welch Glück, die Türe ging auf und wir machten es uns vor dem Bancomaten am Boden gemütlich. Der Raum war schön warm und als Dank winkten wir den Überwachungskameras zu. Um zwei Uhr morgens machten wir uns nach 2.5 Stunden Unterbruch wieder auf den Weg. Wir passierten La Thuile und fuhren in Richtung Petite Grand Bernard. Rund 4 km vor der Passhöhe fing es wieder an zu stürmen und blitzen. Kein gutes Zeichen. Wir fanden ein Restaurant wo die Türe zum Vorraum offen war. Wir quetschten uns rein und warteten das Gewitter ab. Kurz vor fünf Uhr morgens ging es wieder bei trockenem Wetter weiter. In Bourg Saint Maurice stürzten wir mit hungrigen Bäuchen in die erste Boulangerie. Zum Glück öffnen die Bäckereien in Frankreich bereits um 6 Uhr morgens. Wir vernaschten ein ganzes Feigen- und Pfirsichbrot mit frischem Butter. Dazu einen frischen Espresso, welcher unsere Müden Köpfe wieder zum Erwachen brachte. Ein zweites Brot packten wir für die Weiterfahrt ein. Vivianne ist sackstark und fuhr immer voraus. Kaum zu glauben dass sie letzte Woche bereits ihren 50. Geburtstag feierte. 🙈 Ich hoffe, dass ich mit 50 auch noch so fit bin. Ein echtes Vorbild. Ich fuhr immer etwa 50 Meter weiter hinten. Beide in unserem Trott, ohne viel zu reden. Wir genossen die wunderschöne Landschaft und das einfache und unkomplizierte Vorwärtskommen. Es wurde wieder heiss. In Frankreich waren, wegen der Hitzeperiode, alle Brunnen abgestellt. Für Wasser mussten wir immer in Einkaufsläden. Wir mussten gut planen und auch unser Verlangen nach Cola und allermöglichen Esswaren immer wieder stillen. In Chamonix zeigte eine öffentliche Temperaturanzeige doch tatsächlich 38 Grad an. Kein Wunder waren unsere Bidons immer so schnell wieder leer.

Nach 24 Stunden unterwegs und Total 19 Stunden Fahrzeit erreichten wir erschöpft, müde aber total happy und geflasht den Bahnhof in Martigny. Ich bin extrem stolz auf unsere Leistung und mega dankbar, dass ich es geschafft habe. Merci liebe Vivianne fürs Mitfahren und das Teilen dieses Abenteuers. Freue mich bereits auf das nächste Projekt mit ihr. Inzwischen habe ich bereits eine neue Route geplant und ihr Gestern geschickt!! 😉

 

Pura vida

Cristina

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