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Wenn rennen plötzlich Freude macht

Zuerst mal vielen Dank für die vielen positiven Rückmeldungen zu meinen zwei letzten, ziemlich privaten, Blogeinträgen zu mir und meiner Gefühlswelt. Und sorry für die, die mich vorher so "noch" nie erlebt hatten und ich mit meiner Offenheit etwas geschockt habe. Es mag sein, dass ich gegen Aussen meistens glücklich und ausgeglichen wirke. Ist es nicht immer so, wir sehen nur was wir sehen wollen und können nicht wissen was in anderen Menschen im Innern vorgeht? Das Schreiben hat mir schon immer gut getan. Ich führe seit ich denken kann ein Tagebuch. Ich schreibe täglich in zwei, drei Sätzen in mein 5-Jahresbuch das Wichtigste, was mich gerade beschäftigt. Und weil ich ein sehr authentischer Mensch bin, nehme ich auch in diesem Blog kein Blatt vor den Mund und schreibe ehrlich wie es mir geht und was mich beschäftigt. Wenn es Jemanden stört, dann muss er/sie meinen Blog nicht lesen. Das Lesen ist absolut freiwillig. Über Rückmeldungen freue ich mich immer, vor allem das Austauschen mit "Gleichgesinnten" tut mir gut und gibt mir Kraft, dass ich doch nicht ganz alleine "anders" bin und denke als 99 % der Menschen. 

 

Wer authentisch lebt - lebt glücklicher

Aktuell lese ich das Buch "Authentizität - Die neue Wissenschaft vom geglückten Leben" vom Psychologen Und Professor Stephen Joseph. Gerne teile ich hier zwei Zitate aus dem Buch, welche mir Mut machen meinem Weg und mir treu zu bleiben, egal was Andere von mir denken: "Sei, wer du bist, und sag, was du denkst, denn die Menschen, die das stört, sind nicht wichtig, und die Menschen, denen wir wichtig sind, stört es nicht."  Und: "Authentizität heisst auch, dass wir fähig sind, unsere Sehnsucht nach Anpassung und Zugehörigkeit zu widerstehen". Bis jetzt habe ich 1/3 des Buches gelesen. Das Buch kann ich nicht wie einen Roman einfach verschlingen. Ich brauche Ruhe und die richtige Stimmung, damit ich mich voll darauf einlassen und die Übungen machen kann. Das Buch habe ich per Zufall am Bahnhof in Visp im Büchertausch-Ecken der Telefonkabine gefunden, als ich auf einer meiner Rennvelotouren vor einem Gewitter ans Trockene geflüchtet bin. Gerne gebe ich das Buch, sobald ich damit fertig bin, an Interessierte Leser/innen weiter. 

 

Zur vollkommenen Authentizität fehlen auch mir noch einige Schritte. Eines, was mir aber in den letzten Tagen / Wochen bewusst wurde, ist, dass ich mich in Zukunft von Einladungen zu Essen und Apéros in Restaurants und Veranstaltungen mit vielen mir unbekannten Menschen abmelden werde. Ich werde ehrlich kommunizieren, dass es nichts persönliches gegenüber diesen Menschen ist, sondern es darum geht, dass ich meine Psyche schützen möchte. Ich muss auf mich und mein Herz hören. Nur ich weiss was in mir abgeht und was Besuche in Restaurants, viele Menschen, viele unterschiedliche Geräusche, Gerüche etc. in mir auslösen. Es ist zwar manchmal sogar für mich nicht schön, dann alleine zu sein, im Wissen, dass die Anderen es gerade lustig zusammen haben. Doch immer noch besser, als plötzlich wieder nervlich überfordert zu sein und dann aggressiv zu reagieren oder mich in Gesellschaft total abzukapseln und ungeduldig den Anderen die gute Stimmung zu verderben. Und wie oben im Zitat geschrieben, die Menschen, denen ich wichtig bin und etwas bedeute, werden mich verstehen und die anderen sind nicht wichtig für mich. 

 

Nun zu etwas ganz anderem. Wegen dem schneearmen und milden Winter bin ich seit Dezember 2022 vermehrt zu Fuss unterwegs. Das Goms ist nicht nur für Skitourengeher, sondern auch für Trailrunner ein absolutes Paradies. Am Anfang war es noch ein Kampf, doch mittlerweile habe sogar ich, als absolute nicht Läuferin, Freude am Laufen entwickelt. Schade erst jetzt, wo Roger wieder vermehrt Probleme mit seiner Hüfte hat, und wir die Trails nicht zusammen laufend unsicher machen können. Mindestens einmal pro Woche erkunde ich laufend das Goms. Mal mit vielen Höhenmeter, dann wieder flowiger und manchmal auch um meine Grenzen zu sprengen. So kam es, dass ich am 14. Mai meinen ersten Marathon gerannt bin. Zusammen mit meinem Freund Bernhard, ins Goms zugewanderter Tiroler, startete ich ab meiner Wohnung in Blitzingen über den Waldweg bis nach Oberwald und auf der anderen Talseite via Gommer Höhenweg wieder zurück nach Blitzingen. Mit 51 km und 1'930 Höhenmetern konnte ich meinen ersten Marathon gesund und glücklich finishen. Wäre ich alleine unterwegs gewesen, hätte ich, ehrlich zugegeben, wahrscheinlich in Reckingen abgebrochen. Der lange, mühsame Aufstieg auf der Forststrasse war nach rund 35 Kilometern eine grosse mentale Herausforderung für mich. Sobald ich keinen Trail mehr unter den Füssen habe, wird es mir wahrscheinlich langweilig und die Motivation sinkt. Zum Glück konnte ich dieses Tief wieder überwinden und meine Teufelchen überlisten. Aufgeben ist immer einfach, umso schöner konnte ich es durchziehen und mental wieder etwas wachsen. 

 

Aletsch Halbmarathon 

Als wir bei Obergoms Tourismus eine Einladung zum VIP Anlass für den Aletsch Halbmarathon erhalten haben, habe ich meinem Chef gesagt, dass ich statt am VIP Anlass teilnehmen viel lieber als Läuferin selber starten würde. Er fragte ob wir die Einladung in einen Startplatz tauschen dürfen - und zu meiner Freude - hat die Aletsch Arena sofort zugesagt und mir einen Startplatz für den Aletsch Halbmarathon gratis geschenkt. 

 

So kam es, dass ich gestern Morgen mit dem Zug und der Bahn auf die Bettmeralp fuhr und pünktlich um 10.15 Uhr im 4. Startblock auf die 21 km geschickt wurde. Bei der Anmeldung musste ich eine ungefähre Zeit angeben. Da ich nicht einschätzen konnte, wie schnell ich sein würde, gab ich eine Laufzeit von 2h und 50 Minuten an. Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte. Auf Rat von Roger, welcher mich als Betreuer begleitete, joggte ich gemütlich los. Doch schon bald, als wir in den ersten Trail abbogen kam Stau auf. Die Läufer und Läuferinnen vor mir waren es wohl nicht gewohnt über Stock und Stein zu rennen. Ich war genervt und fing an zu überholen, was auf den schmalen Wanderwegen keine einfache Sache war. Oft rannte ich neben dem Weg über Stock und Stein, legte bei kurzen breiten Wegen einen Sprint hin und versuchte so gut wie möglich weiter nach Vorne zu gelangen. Um den Bettmersee wurde der Weg wieder etwas breiter und ich rannte schneller um wieder ein paar mühsame Läufer hinter mir lassen zu können. So kam was geschehen musste, bei einem Überholmanöver trat ich mit dem rechten Fuss in ein Loch und mein Fuss knickte um. Die Wörter "Huere Siech" entwichen meinem Mund. Weil ich an meinen Füssen bereits alle Bänder gerissen habe, fühle ich bei jedem Misstritt jeweils kurz einen Schmerz, welcher dann zum Glück bald wieder von selber verschwindet. So hiess es kurz auf die Zähne beissen, nicht daran herumstudieren und weiter rennen. Weil ich immer wieder ausgebremst wurde, lief ich nie über meinem Limit. Meistens rannte ich in meinem Komfortbereich. Als ich bei der Villa Cassel ankam, kamen schöne Erinnerungen vom letzten Sommer hoch, als ich dort gearbeitet und gewohnt hatte. Ab dort kannte ich die gesamte Strecke. Der Casselweg war sozusagen meine Heimstrecke im letzten Sommer. Auf dem Grat in Richtung Bettmerhorn hat sich die Menge zum Glück ziemlich in die Länge gezogen und das Überholen wurde einfacher. Ehrlich gesagt fühlte es sich super an immer nur überholen zu können. Selber überholt wurde ich auf der gesamten Strecke nur von zwei Männern. Kurz vor dem Ziel, beim letzten, mega steilen Aufstieg in Richtung Bergstation des Bettmerhorns stand Roger und feuerte mich an. Ich konnte nochmals einen Zahn zulegen und marschierte in grossen Schritten in Richtung Ziel. Total glücklich und super zufrieden mit mir erreichte ich nach 2 Stunden und 28 Minuten das Ziel. Ich fühlte mich super und hätte auch noch weiterrennen können. Ich habe bei jeder Verpflegung kurz angehalten und mich mit Wasser und Bananen versorgt und bei den letzten beiden Stationen jeweils noch einen Becher Cola getrunken. Auch bin ich extra ohne Uhr gerannt. Ich wollte nicht wissen wie lange ich bereits unterwegs war und auch nicht wie viele Kilometer ich bereits absolviert hatte. Zum Glück konnte ich auch die Kilometermarkierungen immer gekonnt ausblenden. Erst bei der 19 Kilometer Markierung nahm ich das Schild das erste Mal wahr. Doch da wusste ich sowieso bereits, dass es nicht mehr weit ist, da man das Ziel auf dem Grat schon bald mal erkennen kann. 

 

Zusammen mit Roger fuhr ich mit der Bahn zurück auf die Bettmeralp. Unten war es wieder schön mild und windstill. Wir gönnten uns in einem Café an der Sonne einen leckeren Cappuccino. Im Anschluss genossen wir die Sonne beim Klettern im Klettergarten "Adler" auf der Bettmeralp. Ein wunderschöner Klettergarten mit tollen Routen in schönem Fels. Auch beim Klettern war ich im Flow und langsam kann ich meine Angst vor Stürzen im Vorstieg wieder hinter mir lassen. Bei der Rückreise ins Goms wurden wir vom Glück verfolgt. Ein elektrischer Shuttle nahm uns spontan mit auf die Riederalp, dort erwischten wir noch die Gondel zurück nach Mörel mit direktem Anschluss auf den Zug. Ein rundum gelungener Tag. 

 

 

Pura vida

Cristina

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