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Grimselchallenge - in the books

Als ich im Januar vierzig Jahre alt geworden bin wollte ich entweder mit den Tourenskis 40 Gipfel oder mit dem Rennvelo 40 Pässe am Stück bewältigen. Beide Ideen musste ich mangels Schnee bzw. weil ich im Sommer keine Ferien habe ziemlich bald wieder begraben.


Als dann im Juni die Pässe in meiner Heimat öffneten und ich am 6. Juni das erste Mal den Grimselpass erklomm, kam mir spontan eine Idee. Warum nicht 40 x den Grimselpass bezwingen? Ich musste nicht lange überlegen und setzte mir sogleich das Ziel der #grimselchallenge. Der Grimselpass ist ab Oberwald nur 11 km lang und mit knapp 800 Höhenmetern ein idealer Pass für die Mittagspause. 😆


Im Juni und Juli hatte ich Wetterglück und so konnte ich jede Woche ein, zwei Striche auf meiner Strichliliste hinzufügen. In einer spontanen Nacht und Nebelaktion fuhr ich Anfang Juli gleich sieben mal am Stück auf den Grimselpass. Manche denken jetzt vielleicht, die Cristina die spinnt!! Doch normal ist langweilig und etwas "Verrücktes" zu tun, das fägt einfach. 


Letzte Woche war es auch im Goms sehr heiss und ich fuhr einige Male vor dem Arbeiten um halb sechs los und genoss den wunderschönen Sonnenaufgang, praktisch für mich alleine, am Grimsel. Bis letzten Samstag hatte ich bereits 35 Striche auf meiner Liste. Am Montag und Dienstag regnete es praktisch die ganze Zeit und auf den Pässen lag Schnee. Zum Glück öffneten die Pässe am Mittwoch wieder. Denn ich nahm mir vor, mein zweites Saisonziel diese Woche abzuhäckeln. Weil ich nämlich mit Roger vereinbart hatte, dass wir meine 40igste Fahrt gemeinsam absolvieren und ich ihn zur Feier des Projekts im Anschluss im Hotel Grimselpasshöhe zum Brunch einladen werde. Und da Roger heute frei hatte und wir ein Rennvelodate vereinbarten, wollte ich die Gunst der Stunde nutzen.


Am Mittwoch arbeitete ich in Oberwald. Ideale Voraussetzungen. Am Mittag fuhr ich bei dichtem Nebel in Richtung Grimsel. Es war immer noch bitter kalt. Doch den "Schwanz" einziehen war keine Option. Beim Passschild zog ich meine Jacke an und stülpte die Kapuze über den Helm. Schnell runterdüsen und zurück ins Büro. Da wir in unseren Büros keine Dusche haben, wärmte ich meine kalten Hände und Füsse im Lavabo mit heissem Wasser und zog mir rasch trockene Kleider an. Meine nassen Velokleider hing ich zum trocknen über die Heizung, weil sich ein Holländischer Zweitwohnungsbesitzer bei meinem Chef beschwert hatte, weil ich die Kleider jeweils zum trocknen Draussen neben dem Tourist Office an der Sonne trocknen liess. Wie kleinkarriert gewisse Menschen sind??? Mit Daunenjacke hockte ich mich wieder vor den PC. Kurz nach 17h, Büro schliessen, Augen zu und durch und nochmals hoch. Es war immer noch neblig und kalt. Ich fuhr nach der Abfahrt gleich weiter nach Blitzingen. Da unsere Wohnung 200 Höhenmeter über dem Dorf liegt und wir kein Auto besitzen, muss ich täglich zu Fuss oder eben mit dem Velo noch den Chastebiel-Bergpreis holen. Es ist alles im Kopf. Manchmal ist es hart, vorallem wenn es aus Kübeln regnet. Doch ich bin dankbar für zwei gesunde Beine und denke immer an die Menschen z. B. in gewissen Gebieten in Afrika wo sie 5 km zu Fuss bis zur nächsten Wasserquelle laufen müssen. Wir sind verwöhnt und faul. Und was sind schon 200 Höhenmeter? Nichts. Und was mich nicht umbringt macht mich stärker. Ganz speziell merke ich diesen täglichen Weg zurück nach Hause im mentalen Bereich. Da habe ich, meines erachtens, tolle Fortschritte gemacht!! 🙏


Zurück zur Grimselchallenge. Am Mittwochabend hatte ich somit bereits 37 Striche. Ich ging früh ins Bett, denn bereits um sechs stand ich wieder auf. Frühstücken und um halb sieben Abfahrt Richtung Grimsel. Als ich nach 20 km in Oberwald ankam spürte ich meine Finger nicht mehr. Es war immer noch neblig und bitter kalt. Doch mit dem Brunch vor Augen fuhr ich ohne zu zögern weiter. Meine Füsse fühlten sich an wie Eisklumpen - trotzdem tropfte der Schweiss von mir runter. Das ist das Üble. Es kann noch so kalt sein. Kaum bewege ich mich, schwitze ich wie ein Eisbär in der Sauna. Oben konnte ich mit meinen eingefrorenen Fingern das obligate Beweisselfie fast nicht mehr machen. Zurück im Büro zog ich alles an, was ich an Kleidern deponiert hatte. Ein heisser Cappuccino und ein Laugengipfel gaben mir neuen Schwung. Nach dem Arbeiten war es im Tal tatsächlich etwas wärmer. Und das gleiche Spiel von Vorne. Ab Münster auf den Grimsel. Gipfelselfie. Jacke montieren. Schlotternd runterfahren. Nochmals 200 Höhenmeter bis zur Wohnung. Nasse Kleider weg, trockene anziehen und etwas feines essen. Das Duschen liess ich bleiben, wusste ich doch, dass ich in 12h bereits wieder auf dem Velo sitzen würde. Und ja, duschen tue ich immer noch nicht gerne. 🤣


Roger kam gestern Abend spät nach dem Arbeiten in unser Zuhause. Kurz alles packen und um 22h waren wir im Bett. Ich konnte vor Aufregung nicht wirklich tief schlafen. Ich war froh, als wir um 6 Uhr aufstehen, kurz frühstücken und um halb sieben losfahren konnten. Der Mond schien und die Morgenstimmung war wunderschön. Ich war von Anfang voller Glücksgefühle und happy, dass ich meine 40igste Fahrt mit Roger teilen durfte. Nach Gletsch zählte ich die sechs Kehren runter. Roger schoss von mir unterwegs noch ein paar Bilder als Erinnerung. Als wir das Passschild erblickten konnte ich mir einen Jubelschrei nicht verkneifen. Glücksgefühle pur. Ein paar Bilder und dann schnell an die Wärme im Hotel Grimselpasshöhe. Wir zogen trockene Kleider an und genossen das leckere Brunchbuffet. Einen schöneren Tag hätte ich mir für diese Jubiläumsfahrt nicht aussuchen können. Die Bergspitzen schön mit Schnee überzuckert, frische, kühle Bergluft, klarer Himmel und Sonnenschein.


Nun chillen wir bei einem Bierchen auf unserer Sonnenterrasse in Blitzingen und ich gönne mir etwas Ruhe. In mir herrscht eine unglaubliche Zufriedenheit. Auch mein zweites von drei Saisonzielen konnte ich erfolgreich abhäckeln. 


Von einigen Menschen wurde ich gefragt was mich am Pässefahren so reizen würde. Das ist schwierig in Worte zu fassen. Wenn ich auf dem Velo und in den Bergen bin, dann fühle ich mich frei. Ich bin in meiner eigenen Welt und vergesse alles um mich herum. Niemand der über mich lästert, der mich kritisiert oder irgendwelche Regeln und Gesetze. Freiheit, Bewegung, Berge und Natur sind für mich überlebenswichtig. Und ich liebe es, meine Grenzen immer wieder auszuloten und meinen Körper zu spüren. Mal schauen was ich mir als nächstes vornehmen könnte. Aber zuerst kommt noch Saisonziel Nr. 3 und dann möchte ich wieder mehr biken und den Indian Summer im Goms beim Trailrun geniessen.


Danke fürs Lesen.


Pura vida und live your dreams 🌈❤

Cristina

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Kommentare: 4
  • #1

    Heidi Schnyder (Samstag, 02 September 2023 08:31)

    Herzliche Gratulation!! Bravooo! Super Bericht! Roli und ich sind begeistert! Liebe Grüsse auch an Roger! Super wie er dich unterstützt!

  • #2

    Jan Cermak (Sonntag, 03 September 2023 14:57)

    Gratuliere Dir Cristina!! Ganz tolle Leistung und sehr gut geschriebener Bericht! Du sprichst mir aus dem Herzen, wenn Du von der Faszination fürs Pässefahren schreibst! Liebe Grüsse Jan

  • #3

    Hanspeter Latour (Mittwoch, 06 September 2023 20:23)

    Herzliche Gratulation Cristina!
    Ein wenig verrückt bist Du schon.
    Ich habe am Grimselpass übrigens auch einmal geschwitzt. Vor gut 50 Jahren als ich mit dem Damenfahrrad meiner Schwester eine Velotour von Thun ins Wallis machte. Via Montreux ging es dann zurück über den Coll des Mosses nach Thun. Ein 1 Gang Velo mit Rücktritt und das kleine Zelt auf dem Gepäckträger und 20 Franken im Sack machten mich damals für 3 Tage glücklich. Es ist wie wenn es gestern gewesen wäre! Ou nei! Ich wüsste ja nicht wie ich heute aus dem Bett gekommen wäre.
    Also nur wer einmal die Grimsel gemacht hat, weiss was 40 mal bedeuten.. Toll auch wie Roger dich immer unterstützt.
    Liebe Grüsse
    Hanspeter und Thildi

  • #4

    Hanspeter Latour (Mittwoch, 06 September 2023 20:26)

    Ich bin ja 76 also war es vor 60 Jahren!
    LG Hanspeter