Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Ein Sprichwort, das wohl jeder kennt und das den meisten von uns schon das eine oder andere Mal widerfahren ist.
Bei mir dreht sich das Leben seit einer Woche deutlich gemächlicher. Ein blöder Bagatellunfall in unserer Werkstatt hat mich jäh ausgebremst. Beim Räumen sind mir mehrere Gipsplatten (ca. 150 kg) auf das linke Bein, vor allem aber auf den Fuss geknallt. Roger wollte mich noch retten und schrie, ich solle zur Seite springen. Ich hingegen hatte in dem Moment Angst um ihn und ich gebe es zu, auch um unsere Velos, die sonst von den Platten „platt“ gemacht worden wären. So habe ich mich, eher unfreiwillig, aber eben doch, geopfert.
Ein höllischer Schmerz durchfuhr mich, und als Roger die Platten leicht anhob, um mein Bein zu befreien, wagte ich kaum, meinen Fuss hervorzuziehen, aus Angst, er sei völlig zertrümmert. Zum Glück war das nicht der Fall. Der Fuss sah noch aus wie ein Fuss, tat aber höllisch weh und ich konnte nicht mehr aufstehen. Ich schrie um Hilfe, denn auch Roger war mit seinem Zeh unter den Platten eingeklemmt. Ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich keine klaren Gedanken mehr fassen und ihm nicht helfen konnte. Irgendwie schaffte er es dann, eine Holzlatte zu greifen und unter die Platten zu stemmen, um seinen Fuss zu befreien. Ich legte mich weinend vor Schmerz auf den Boden vor dem Schuppen. Gemeinsam mit Roger versuchte ich mich aufzusetzen, kaum sass ich, wurde mir schwindelig und ich fiel in Ohnmacht. Zum zweiten Mal in meinem Leben. Und ehrlich: Es war schön. Ich war kurz an einem wunderbaren Ort. Doch kaum dort angekommen, hörte ich aus der Ferne laute Rufe, Roger rüttelte an mir. Ich checkte gar nicht, wo ich war, und wäre am liebsten direkt zurück an diesen paradiesischen Ort gereist.
Zum Glück war Silvio, unser Maurer, auf der Baustelle. Roger und Silvio trugen mich ins Auto, und mit Roger fuhr ich in die Notaufnahme im Spital Visp. Während der Anmeldung im Sekretariat fiel ich erneut in Ohnmacht, aber auch diesmal nur kurz. Ein aufmerksamer Sanitäter hatte mich im Blick und rüttelte mich sofort wieder wach. Im Rollstuhl ging es weiter zur Ärztin. Mein schwacher Puls (41–45) und der niedrige Blutdruck (95/60) bereiteten den Pflegenden etwas Sorge. Roger beruhigte sie. Ich sei sportlich, das sei bei mir normal. Wenigstens freute sich das Überwachungsgerät über meine 100%ige Sauerstoffsättigung, so blinkte wenigstens etwas nicht ständig rot.
Nach Röntgen und CT machten mir die Oberärztin und die Chirurgin Hoffnung. Ausser starken Prellungen und vermutlich Zerrungen keine Brüche. Wegen der vielen empfindlichen Sehnen und Bänder im Fuss wollten sie aber nichts riskieren und organisierten für vier Tage später ein MRI im Spital Brig. Mit einer Schiene von Orthopedes und Krücken wurde ich nach rund vier langen Stunden aus dem Spital entlassen. Zurück zu Hause empfing uns Rogers Vater, der seit drei Wochen tatkräftig auf der Baustelle mithalf, herzlich. In der Zwischenzeit hatte er die Werkstatt aufgeräumt und die Platten sicher verstaut, damit sie niemandem mehr gefährlich werden können. Durch meine Unachtsamkeit hatte ich Roger einen halben Tag auf der Baustelle „gestohlen“ und auch in meiner Freizeit konnte ich fortan nicht mehr mithelfen. Stattdessen war ich ans Bett und Sofa gefesselt und musste Geduld lernen. Am Freitagnachmittag kam Maria auf Krankenbesuch. Gemeinsam mit Roger und seinem Vater Dominik genossen wir einen milden Sommerabend mit Pizza aus unserem Pizzaofen auf der Sonnenterrasse.
Und wenn Roger nicht gerade auf der Baustelle beschäftigt war, machten wir kleine „Seniorenausflüge“ zum Käffele nach Domodossola oder auf die Lauchernalp. Dank der guten ÖV-Anbindung in Ausserberg ist mein Bewegungsradius auch mit Krücken nicht allzu eingeschränkt und als „Behinderte“ findet man in den Zügen immer einen Sitzplatz. Einen Vorteil darf diese Zwangspause ja ruhig mit sich bringen.
Dank Maria bekam ich rasch einen Termin bei einem Fussspezialisten in Basel. Er besprach mit mir die Ergebnisse des MRI und bestätigte die Einschätzung der Ärztin aus Visp. Kein Bruch, keine gerissenen Bänder oder Sehnen. Nur zwei gezerrte Bänder und mehrere starke Hämatome in den Knochen, verursacht durch das Gewicht und den Aufprall der Platten.
Das bedeutet weitere vier Wochen Schonung mit Schiene, aber ich darf die Krücken langsam absetzen und den Fuss "nah dis nah" wieder belasten. Als Sportlerin, meinte der Arzt, könne ich auf mein Körpergefühl vertrauen. Auch einer Teilnahme am Inferno-Triathlon am Samstag, 16. August, im Couple mit Roger steht wenig im Weg. Immerhin mache ich nur die Velostrecken, und mit Tape sollte das gut machbar sein.
Ich bin unglaublich dankbar für das Glück im Unglück und dass ich offenbar wieder einmal von einigen Schutzengeln begleitet wurde. Meine Knochen haben gehalten und mein „Chassis“ scheint auch mit 42 noch einiges auszuhalten! Ein paar Dellen und Beulen sind dazugekommen, aber mit etwas Öl, Pflege und Geduld wird auch das wieder gut. Während ich also rumliege und schone, arbeitet Roger Tag für Tag unermüdlich an unserem Traum. Das Bad ist aktuell eine grosse Baustelle, und unsere Sportgarage rückt ihrer Fertigstellung in grossen Schritten näher. Es ist schön zu sehen, was wir mit unseren eigenen Händen erschaffen können. Und ich hoffe fest, dass sich mein Fuss weiterhin so gut erholt, dass auch ich bald wieder mit anpacken und Roger beim Umbau helfen kann.
Manchmal kommt im Leben eine Abzweigung. Schlussendlich führen aber alle Wege zum Ziel. Manche sind kürzer, andere dauern länger, aber am Ende zählt, dass der Weg selbst das Ziel ist. Und es kommt, wie es kommen muss.
Pura vida
Cristina
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Isabelle Iten (Freitag, 25 Juli 2025 20:12)
Ojehojeh… Liebe Christina. Ich wünsche dir von Herzen gute Genesung. Auf dass du bald wieder spörteln und in der Dorna rumhüpfen kannst!
Herzliche Grüsse
Isabelle
Cone (Samstag, 26 Juli 2025 09:11)
Ich bin so froh für dich���ganz gute und schnelle. Esserung und wir sehen uns in Thun❤️
Vroni Bittel (Samstag, 26 Juli 2025 10:15)
Wünsche dir weiterhin gute Besserung.
Lg aus der Wildi