Während ich diesen Blog schreibe geniesse ich wieder mal das Privileg vom einfachen und unabhängigen Reisen mit unserem Sämi. Nach den letzten Monaten und dem systematischen Mobbing, welches ich bei meinem letzten Arbeitgeber leider am eigenen Leib erfahren musste, hatte ich eine Auszeit bitter nötig. Nach dem Einreichen der Kündigung im Juli musste ich noch drei Monate ausharren, bis ich Ende September das Kapitel Zermatt Marathon endgültig abschliessen konnte.
Mit viel Vorfreude und dem Ungewissen, was mich in den zwei Monaten erwarten würde, fahre ich am 20. September alleine mit unserem Sämi los in Richtung Cadiz. Ich lasse mir für die 2000 km durch Frankreich und der Ostküste Spaniens entlang extra genügend Zeit. Unterwegs geniesse ich das Schauspiel der wechselnden Landschaften. Ich lege zwei Stopps ein, wo ich mit meinem Gravel mir bis dato unbekannte Gegenden in Spanien erkunde. Am 22. September erreiche ich die Hafenstadt Cadiz, am südlichen Ende von Spanien. Ich parke direkt am Meer und geniesse den herrlichen Sonnenuntergang und das Strandfeeling. Am nächsten Tag um die Mittagszeit verschiffe ich Sämi auf der Fähre. "Er" hat sich nach den über 2000 Kilometern eine Pause verdient. Ich packe mein Isomätteli, meinen leichten Schlafsack und Snacks für die nächsten zwei Tage in meinen Rucksack und begebe mich an Deck. Zuoberst in der Lounge finde ich ein gmütliches Plätzli neben drei jungen Spaniern und richte mich ein. Claudia aus Wien gesellt sich auf das Sofa neben mir und wir kommen ins Gespräch. Die 43 Stunden an Bord verbringe ich beim Lesen, Sudoku, plaudern mit Claudia und viel schlafen auf meiner Isomatte. Tagsüber begebe ich mich an Deck und geniesse die Sonnenstrahlen auf meiner Haut und den salzigen Wind in meinen Haaren. Ich picknicke mit den anderen Hippies ;-) in der Lounge. Claudia und die drei Spanier gehen bereits in Fuerte von Bord. Die zweite Nacht bricht herein. Frühmorgens erreichen wir Gran Canaria wo weitere Passagiere die Fähre verlassen. Für mich heisst es nochmals knapp drei Stunden "ausharren", bevor ich um ca. 9.30 Uhr am 25. September die Fähre im Hafen von Teneriffa verlassen kann.
An Bord habe ich mich übers WLAN bereits nach einem ersten Schlafplatz erkundet, doch zuerst muss ich Sämi wieder volltanken. Ich habe Sämi am Festland extra nicht mehr getankt, weil ich noch von unserer Reise auf die Kanaren während unserer Auszeit wusste, dass dort der Diesel nur ca. 1 Euro pro Liter kostet. Zum Glück ist es immer noch so und ich steuerte die günstigste Tankstelle in der Nähe des Hafens an. Wie immer bin ich in Städten überfordert. Aufs Handy schauen wo ich durch muss, den Verkehr im Auge behalten und die mir nicht geläufigen Verkehrsregeln. Mehrmals unternehme ich haarsträubende Wende- und Abbiegemanöver, winke den anderen Verkehrsteilnehmern jeweils dankend zu. Zum Glück sehen die ja, dass ich Touristin bin und keine Ahnung habe. Schweissgebadet vom Städte- und Fahrstress erreiche ich das kleine Hafendorf San Andres und meinen ausgewählten Übernachtungsplatz. Ich mache mir einen Kaffee, esse ein frisches Croissant und mache mich für meine erste Erkundungstour mit meinem Gravel parat. Über wenig befahrene Strassen erkundige ich den Norden der Insel und geniesse das milde und sonnige Wetter. Am Abend kühle ich mich bei einem Schwumm im Atlantik ab. Meine erste Nacht auf den Kanaren verläuft ruhig und ich lasse die Schiebetür von Sämi offen, damit frische Luft zu mir in meine "Räuberhöhle" dringen kann.
Am zweiten Tag erkundige ich die Gegend auf dem Mountainbike. Ich finde einen spassigen Wanderweg, welchen mich vom höchsten Punkt bis zurück ans Meer bringt. Der erste Teil ist ziemlich ruppig und technisch. Beim Biken merke ich immer wie öfters, dass ich alt werde. Ich fahre nicht mehr so mutig wie noch vor ein paar Jahren und steige öfters vom Bike als mir lieb ist. Doch was solls, meine wilden Jahre sind vorbei und ich schäme mich nicht dafür, dass ich beim Biken vorsichtiger, wenn nicht sogar eine Pussi geworden bin. Den Nachmittag verbringe ich wieder beim Schwimmen im Meer, lesen und chillen beim Sämi. Am Abend fahre ich weiter in Richtung Süden. Roger kommt mich nämlich für zwei Wochen besuchen und ich kann ihn kurz nach Mitternacht am Flughafen im Süden von Teneriffa in Empfang nehmen. Zum Glück läuft um diese Zeit am Flughafen nicht mehr viel. Ich parke nämlich irgendwo bei den Mietautos, weil ich nicht fürs Parken bezahlen und nicht durch die engen Parkplätze fahren will.
Todmüde fallen wir kurze Zeit später gemeinsam ins kuschelige Bett in unserem Sämi. Schön, nach einer Woche allein sein, wieder mal Roger an meiner Seite zu haben. Zum Frühstück gibt es ein leckeres Croissant, welches ich in einer örtlichen Bäckerei finde. Nach dem Frühstück heisst es erstmal Lebensmittel shoppen. Da ich aktuell arbeitslos bin und kein Geld verdiene, habe ich mir für die zwei Monate on the road ein Tagesbudget von CHF 5.00 gesetzt. Natürlich ohne die An- und Rückreise, ohne die Fähren von Insel zu Insel und ohne Diesel. Deshalb freue ich mich natürlich, dass Roger mir während den zwei Wochen ein "Upgrade" bezahlt. Er lädt mich immer wieder zu Cappuccino und Gipfeli ein und übernimmt die Kosten beim Einkauf der Nahrungsmittel. So kann ich aktuell meine CHF 5.00 pro Tag sparen und dann für meine 6 Wochen, wo ich wieder alleine bin, aufsummieren! Durch unsere vielen Reisen nach Spanien weiss ich mittlerweile, in welchen Läden es welche Lebensmittel zu den günstigsten Preisen gibt. Und da wir beide sehr unkomplizierte Esser sind und nur wenig brauchen um glücklich zu sein, halten sich die Kosten für die Ausgaben von Lebensmitteln in Grenzen.
Nach dem Einkaufen fahren wir in einen Bike Shop um für Roger ein Rennvelo zu mieten. Das Mitführen seines Rennvelos mit dem Flieger hätte dasselbe gekostet wie eine Miete für 12 Tage vor Ort. Er ist nur mit Handgepäck angereist. Seine Kleider etc. habe ich bereits mit Sämi mitgenommen. Den späteren Nachmittag verbringen wir beim Klettern in einer der vielen Schluchten, welche vor Jahrtausenden durch Wasser geformt wurden. Dementsprechend abgeschliffen und strukturlos sind die Felsen. Wir tun uns schwer. Das Klettern auf Reibung gehört nicht zu unserer Stärke. Trotzdem schön, wieder mal gemeinsam zu klettern.
La Palma - Isla Bonita
Die zwei gemeinsamen Wochen sind Rogers Wochen. Er darf wünschen, was er unternehmen, was er besichtigen und wo er hingehen möchte. Bevor wir am späteren Abend von Los Cristianos die Fähre nach La Palma nehmen, unternehmen wir eine gemütliche Einfahrrunde mit dem Rennvelo. Ich habe extra mein Gravel mitgenommen, damit ich mit Roger während seiner Anwesenheit auf der Strasse fahren kann, aber auch neue, unbekannte Orte über unbefestigte Wege erkunden kann. Roger muss sich wieder ans Velofahren gewöhnen. Die letzten Monate hat er praktisch jede freie Minute beim Umbau unseres Hauses verbracht. Was mir manchmal ein schlechtes Gewissen macht, weil ich mir immer wieder die Freiheit nehme und Zeit auf dem Velo verbringe. Doch genau dieses Urvertrauen, dieses gegenseitige Respektieren und Unterstützen machen unsere Beziehung und Liebe aus. Wir lassen uns gegenseitig unsere Freiheiten, jeder darf über sein Leben selbst bestimmen und wir nehmen einander so wie wir sind. Ich benötige den Ausgleich und die Abwechslung mit Sport, kann schlecht einen ganzen Tag dasselbe machen. Mir wird jede Beschäftigung bald einmal zu öde und ich muss immer wieder etwas Neues machen. Nicht, dass ich nicht beim Umbau helfe. Auch ich liebe das Arbeiten mit den Händen, das Mauern, das Zimmern etc. Ich traue mir einfach viel weniger zu und habe immer das Gefühl ich mache etwas falsch oder könnte etwas verhauen. Deshalb ist Roger der Bauchef und ich führe lieber einfach aus, was man mir aufträgt und bringe meine sprudelnden Ideen ein.
So, genug abgeschweift. Wir befinden uns jetzt auf den Kanaren und der Umbau kann zwei Wochen ruhen. ;-)
Auch La Palma haben wir vor vier Jahren auf unserer Reise besucht. Jedoch war damals ein grosser Teil der Insel wegen des Vulkanausbruchs gesperrt. Deshalb fahren wir nach unserer Ankunft als erstes an das südliche Ende der Insel wo wir für die ersten zwei Nächten einen einsamen Platz direkt am Meer finden. Es windet wie bei uns in der Dorna auch hier den ganzen Tag. Die Umgebung ist schwarz und rau von alten Lavasteinen. Das Peitschen der Wellen wenn sie auf die Brandung treffen sowie der Wind welcher an Sämi rüttelt - ein unglaublich schönes Gefühl - inmitten der Natur die Freiheit des Nomadenlebens geniessen zu können. Wir erkunden die Gegend auf dem Velo und machen eine Wanderung in der Vulkanlandschaft. Das Hochlaufen ist auf dem Lavasand anstrengend, umso cooler beim Runterlaufen. Da können wir knieschonend im sandigen Boden runterrennen.
Drei Nächte verbringen wir direkt am Strand beim Puerto Naos. Wir schwimmen im Meer, geniessen die Wellen auf dem SUP und unternehmen unser erstes Hike und Fly im Ausland und landen direkt neben unserem Sämi am Strand. Der Startplatz inmitten der Bananenplantagen mit Sicht aufs Meer. Ein unbeschreiblich schönes und überwältigendes Gefühl beim Fliegen übers Meer.
Ich bin angekommen und zurück im Reisemodus. Das freie, unabhängige und einfache Leben ohne Luxus, ohne fliessend Wasser und gesellschaftlichen Normen tut mir gut. Langsam finde ich zu mir und auch die Freude am Leben ist wieder in Sichtweite.
Nun geniesse ich einen weiteren, wunderschönen Sonnenuntergang zusammen mit meinem Lieblingsmenschen Roger und verabschiede mich für den ersten Teil. Fortsetzung folgt.
Pura vida
Cristina
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