Zum ersten Mal in meinem Leben sitze ich in einem Co-Working Space an meinem Laptop. Meine Diplomarbeit bei meinem CAS "Tourismus & Digitalisierung" habe ich dem Thema Digitale Nomaden - Chance für den Tourismus, gewidmet. Und seit unserer Eineinhalbjährigen Auszeit mit dem Van sitzt diese Vision, dieser Traum tief in mir drin, irgendwann selbst als digitale Nomadin zu reisen und die Welt im Van zu entdecken. Das Projekt "Hauskauf" in der Dorna hat alles durcheinander gewirbelt und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich einen Ort, welchen ich aus tiefstem Herzen mein Zuhause nennen kann. Das Reisen und das Leben als Nomadin schliessen einen festen Wohnsitz nicht aus. Ich breche immer wieder gerne auf und komme aber auch gerne wieder zurück in unsere kleine Oase und ich fühle mich nun sesshaft und angekommen. Nebst dem Traum vom Reisen und frei sein habe ich auch immer von einem kleinen, alten, autarken Haus in den Bergen geträumt. Oder einem kleinen Bauernhof mit vielen Tieren. Dass ich zusammen mit Roger seit über einem Jahr Hauseigentümer bin, fühlt sich manchmal immer noch wie ein Traum an. Und ja, ohne Roger an meiner Seite, wäre es immer noch nur ein Traum. Nicht nur finanziell hätte ich es alleine nicht stemmen können, auch den Mut zu diesem Schritt hätte ich alleine nie gehabt. Mit Besitz und Schulden bei der Bank tue ich mich schwer. Doch mit Roger an meiner Seite fühle ich mich aufgehoben, er ist mein Fels in der Brandung und es ist ein riesen Geschenk mit seinem Lieblingsmenschen ein Umbauprojekt umsetzen zu dürfen. Ich fühle mich überhaupt nicht eingeengt und auch nicht gebunden. Ich habe durch Roger lernen dürfen, dass Besitz nicht per se eine Last sein muss, sondern es schön sein kann einen Ort zu haben, wo wir immer zurückkehren können, wo wir uns selbst sein können, wo wir alles so einrichten, umbauen und gestalten können wie wir wollen. Und alles ohne Druck, ohne ein Müssen. Wir können jederzeit wieder für eine Weile aufbrechen, die Welt erkunden und Jemandem für diese Zeit unsere Oase anvertrauen.
Wie in meinem letzten Blog geschrieben habe, bin ich vor etwas mehr als drei Wochen mit unserem Sämi in den Süden - auf die Kanaren - aufgebrochen. Und die letzten zwei Wochen hat mich Roger, während seiner Schulferien, besucht und wir genossen gemeinsam die Freiheit des einfachen Vanlifes. Die Kanaren entdeckt haben wir während unserer Auszeit während der Coronazeit. Damals sind wir für drei Monate mit Sämi auf die Kanaren gereist. Und wie wir jetzt feststellen mussten, war die Coronazeit die beste Zeit fürs Reisen. Wir waren nämlich überrascht, dass es plötzlich viel mehr Touristen und auch Camper auf den Kanaren gibt als noch vor vier Jahren.
Unsere zweite, gemeinsame Woche
Nach einer Woche auf La Palma nehmen Roger und ich die Fähre zurück nach Teneriffa. Es ist Sonntagvormittag als wir auf La Palma unseren Sämi einschiffen. Neben uns hat es nur noch rund 20 weitere Fahrzeuge. Auch an Deck haben wir unendlich viel Platz. Nach 2.5 Stunden erreichen wir den Hafen in Los Cristianos. Bevor wir weiter in den Norden fahren machen wir einen Abstecher zum Bike-Shop um Rogers Bikemiete einen Tag zu verlängern, so dass ich sein Velo nach seiner Abreise zurückbringen kann und wir in der Planung "freier" sind.
Wir finden einen schönen Platz bei einem Aussichtspunkt an der Strasse in Richtung Teide. Das Café beim Aussichtspunkt ist geschlossen und wird wohl, so wie es ausschaut, auch nicht wieder öffnen. Dementsprechend wenig Touristen besuchen diesen Ort und wir geniessen einen wunderschönen Sonnenuntergang mit Blick auf den Atlantik und die Nachbarinsel La Gomera. Das geschlossene Café ist nicht das Einzige was geschlossen ist. Aktuell ist Zwischensaison und viele Betriebe haben noch oder sind bereits wieder geschlossen. Auch fallen uns die vielen Bauruinen auf. An vielen Orten stehen nicht mal zur Hälfte fertig gestellte Häuser und Ähnliches. Viele davon sind bereits von Sträuchern überwuchert und andere, vor allem in der Nähe von Städten sind mit Graffitis übersäht. Auch fällt uns auf, dass viele alte Hotelbunker statt abgerissen zu werden, einfach noch leer rumstehen und in der Nähe neue Gebäude aus dem Boden gestampft werden. Viele Küstenbereiche sind übersäht von Bauten, es gibt nur wenige Stellen in Meeresnähe, welche noch nicht von Menschenhand zerstört wurden. Ganz übel ist die Gegend rund um Los Cristianos und Las Americanos. Dort wimmelt es von "fetten" Touristen aus England und Deutschland. Was besonders weh tut sind die "grünen" Golfplätze welche in der sonst sehr kargen Landschaft herausstechen. Denn geregnet hat es seit ich auf den Kanaren bin, noch nie. Es ist furztrocken und ich frage mich immer wieder, woher die das Wasser nehmen und wie lange die Menschen auf diesen Inseln noch Wasserreserven haben werden? Und die Golfplätze werden täglich mit Rasensprengern gewässert. Und nicht auszudenken wie viel Wasser die tausenden von Touristen täglich in ihren Suiten und Hotelbunkern brauchen?
Wenn ich dieser unnötigen Verschwendung begegne, oder den vielen achtlos weggeworfenen Abfall am Strassenrand sehe, überkommt mich eine grosse Ohnmacht. In solchen Momenten schäme ich mich zur Spezies der Menschen zu gehören und eine unglaubliche Wut läuft durch meinen Körper. Ich bin immer noch im Prozess zu lernen, dass man die Menschen nicht ändern kann und ich mein Leben so ressourcenschonend wie möglich für mich selbst gestalten muss. Denn: "wie ds Müsli gseit het, wos is Meer bislet het, es isch geng das".
So geniessen Roger und ich die zweite Woche unserer gemeinsamen Reise auf Teneriffa. Wo wir vor vier Jahren im Nationalpark Teide noch "wild" campen konnten, stehen nun überall Verbotsschilder und gemäss Rückmeldungen in diversen Foren und auf Park4Night wird man von den Parkwächtern mitten in der Nacht verjagt und muss eine Busse bezahlen. Deshalb versuchen wir es gar nicht und wählen unsere Übernachtungsplätze ausserhalb des Parks und wie meistens bleiben wir mehrere Nächte am selben Ort. Bei unserer Fahrt mit dem Velo zum Ausgangspunkt des Teides, sind wir erstaunt ab den vielen Autos und den vielen Menschen. Wir müssen resigniert feststellen, dass es nicht mehr so gechillt wie vor vier Jahren ist. Ganz in mir drin wünschte ich, Corona käme zurück. Wie schön es damals war zu reisen. Die meisten Menschen hatten Angst und verkrochen sich zu Hause. Gerade erst ist auf SRF online ein Bericht über den Übertourismus am Teide erschienen. Dass die Regierung eine Bezahlung für Wanderer in Erwägung zieht um die Massen zu steuern. Roger und ich, wir haben uns gedacht warum so kompliziert? Warum nicht einfach die Luftseilbahn, welche bis kurz unterhalb des Teides führt, abreissen und eine Gebühr für die Zufahrtsstrassen zum Teidenationalpark einführen. Denn, wenn es keine Bahn geben würde, würden bestimmt 90 % der Teide-Besteiger wegfallen. Auch würden vielleicht einige Besucher vermehrt auf die bereits vorhandenen öffentlichen Busse ausweichen. Es würden nur noch die "wirklichen" Wanderer und Naturliebhaber auf den Teide wandern, welche fähig sind 1500 Höhenmeter rauf und runter über unwegsames Gelände zu Fuss zu absolvieren. Meiner Ansicht nach gehört in einen Nationalpark sowieso keine Bergbahn und kein Massentourismus. Zum Glück gibt es auf der überlaufenen Insel Teneriffa noch abgelegene und schöne Orte wo es sich lohnt zu Fuss oder mit dem Velo zu erkunden.
So unternehmen wir schöne Velotouren, gehen in den Wellen schwimmen und erkunden den Norden der Insel und die schroffe Vulkanlandschaft an der Küste beim Trailrunning. Zum Glück bläst auf Teneriffa fast nonstop ein erfrischender Wind, welcher die Wärme für mich erträglich macht. Roger nimmt mit Freude zur Kenntnis, dass auch ich das Meer mittlerweile liebe und auch mal einen Strandtag, ohne kribbelig zu werden, geniessen kann. Ich liebe das Peitschen der Wellen gegen die Brandung und den farbigen Sonnenuntergang über dem Meer. Beim Einschlafen im Sämi erinnert mich das Rauschen der Wellen an das Plätschern der Suone bei uns in der Dorna.
Viel zu schnell gehen die gemeinsamen Tage vorbei. Der Samstag und somit letzte Ferientag von Roger ist da. Wir gehen noch ein letztes Mal gemeinsam im Meer baden und fahren gegen Mittag mit Sämi zum Flughafen. Zum Glück sind nur 10 Minuten im Kurzparking gratis, was den Abschied zwar nicht weniger hart, dafür kurz macht. Ich weine als ich Roger zum Abschied fest umarme und küsse. Es tut mir weh, ihn gehenlassen zu müssen. Wie gerne würde ich mit ihm weiterziehen und das Nomadenleben weiterhin geniessen. Leider muss er zurück, die Pflicht ruft. Tränen laufen mir über die Wange und es schüttelt mich, während ich mit Sämi den Flughafen verlasse und weiter auf die Autobahn in Richtung Süden aufbreche. Ich habe Mühe mich auf den Verkehr zu konzentrieren. Die Musik von Lo und Leduc, welche auf der CD läuft, lenkt mich etwas ab. Ich singe mit und denke an die schönen zwei Wochen und freue mich, dass ich noch sechs weitere Wochen in Freiheit vor mir habe.
Ich fahre nach Los Cristianos wo ich Rogers Rennvelo im Bike Shop abgebe und mein Bike, welches wir dort zwischenlagern durften, wieder entgegennehme. Ich erledige noch ein paar weitere Sachen bevor ich mir einen Platz für die nächsten zwei Nächte in Los Cristianos suche. Ich bleibe urban, weil ich bereits weiss, dass ich am Montag ein Online-Meeting und einen Platz im Co-Working bei Los Cristianos reserviert habe. Bei meinem Übernachtungsplatz lerne ich einen Deutschen Camper kennen. Das Alter ist schwer zu sagen. Er reist seit 6 Jahren mit seinem Camper in Europa herum, geht ab und zu wieder nach Deutschland zurück, wo er noch ein Haus und einen zweiten Camper besitzt. Die Arbeit habe er vor sechs Jahren hingelegt, doch pensioniert ist er glaube ich noch nicht. Auf alle Fälle tut es mir gut mit Jemandem zu plaudern und andere Vanlifer zu treffen. Meine erste Nacht, wieder alleine, ist unruhig. Ich schlafe schlecht. Seit ich unterwegs bin schlafe ich fast jede Nacht 10 Stunden. Auch zu Hause benötige ich mindestens 8 Stunden schlaf. Ich lege mich meistens zwischen 21.30 - 22.00 Uhr im Sämi ins Bett und erwache in der Regel zwischen 07.00 - 08.00 Uhr. Luxus, so viel Entspannung. Das tut mir und meiner Seele gut.
Meinen ersten Tag wieder alleine verbringe ich auf einer längeren Graveltour im Teide Nationalpark. Sogleich fahre ich meinen ersten Platten ein. Ich brauche ewig bis ich gefrustet und fluchend den Tublessreifen endlich über die Felge bringe und einen Schlauch einbauen kann. Da ich nur einen Ersatzschlauch dabeihabe, fahre ich den zweiten Teil der Runde mit viel Vorsicht. Nochmals einen Platten würde eine lange Wanderung zurück in die Zivilisation zur Folge haben. Dementsprechend erleichtert bin ich, als ich zurück auf den geteerten Strassen bin und Sämi in Los Cristianos erreiche. Nach dem Velo Putz gönne ich mir ein Ingwerbier und ein feines Nachtessen. Im Gratis WLAN, welches ich in einem Einkaufscenter finde, sehe ich mir den zweiten Teil der Dokumentation über Marlen Reusser an. Marlen gehört neben Lara Gut zu meinen absolut liebsten Sportlerinnen. Ich liebe es Marlen zuzuhören. Ihre direkte und authentische Art sowie die natürliche Ausstrahlung und ihre Werte faszinieren mich. Wäre ich ein Mann oder würde ich auf Frauen stehen, Marlen Reusser wäre definitiv nicht nur äusserlich, sondern auch vom Charakter her meine absolute Traumfrau. So genug geschwärmt. ;-)
Den heutige Morgen verbringe ich beim Frühschwimmen im öffentlichen Schwimmbad in Los Cristianos. Es bietet ein 25 und 50m Schwimmbecken mit abgetrennten Bahnen. Viel Platz, eine Umkleide und heisse Dusche. Seit dem Start meiner Auszeit, meine erste heisse Dusche! ;-) Nicht dass ich es vermisst hätte, aber ich habe mir wieder mal die Haare gewaschen und fürs Co-Working sogar frische Kleider angezogen! ;-) Und der Eintritt von 1.50 Euro lag sogar in meinem Tagesbudget! Das Co-Working kostet mich 12 Euro inkl. Kaffee, Strom und Wasser. Zum Glück konnte ich dank meinem lieben Roger zwei Wochen Geld sparen und das Co-Working so ohne schlechtes Gewissen finanzieren. Ich nutze die Zeit um angelaufene Bürotätigkeiten zu erledigen, ein Online-Meeting abzuhalten sowie diesen Blog zu schreiben und ein paar Reise-Recherchen zu erledigen. Und zu guter Letzt mich mal mit "richtigen" Digitalen Nomaden auszutauschen. Ich muss zugegeben, ich fühle mich hier unter diesen Leuten wohl und sauge die Stimmung in mich auf. Zwar mitten im Touri-Hot-Spot von Teneriffa, aber trotzdem in einer mir angenehmen Welt.
In diesem Sinne verabschiede ich mich mit digitalen Grüssen und bis zum nächsten Blog. Und ja, ich freue mich immer riesig über Kommentare hier beim Blog oder Feedbacks via Mail und WhatsApp.
Danke fürs Lesen und das Teilen meiner Reise durch mein Achterbahn Leben.
Pura Vida
Cristina
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D. (Montag, 13 Oktober 2025 19:42)
Hey,
Wir kennen uns ein bisschen aus dem Goms.
Du bist sympathisch, aber dein Bericht ist schon recht arrogant.
Du reist mit einem fetten van durch die Gegend, verbraucht Unmengen an Ressourcen und Benzin und kritisiert die " fetten" Touristen.
Jeder sieht immer nur, dass er selber alles richtig macht, aber die anderen sollen verzichten
Sorry, aber das ist so.
Cristina (Montag, 13 Oktober 2025 20:05)
Danke D für deinen Kommentar. Ich verstehe deinen Unmut. Ich weiss, dass ich mit einem Van herumreise und bin mir bewusst, dass das Reisen an und für sich nicht gut für die Umwelt ist. Jedoch versuche ich meinen Fussabdruck in meinem Leben allgemein möglichst klein zu halten. Ja, unser Sämi braucht Diesel, das kann ich nicht schönreden. Deshalb kam für mich die weite An- und Rückreise auch nur wegen der zweimonatigen Auszeit in Frage. Ich sage nicht, dass die fetten Touristen nicht reisen dürfen. Ich hinterfrage einfach die vielen Golfplätze, die fetten Safarijeeps, Quads und der daraus resultierende Ressourcenverschleiss, gerade in Bezug auf Wasser, was wirklich in dieser Trockenheit wenig vorhanden ist. Und ja, ich bin dafür dass sich die Menschen mehr bewegen und nicht eine Bergbahn bis auf den Teide führt und dass Bergstrassen oder Passstrassen auch in der Schweiz kostenpflichtig werden. Ich bin auch als Velofahrer noch so gerne bereit fürs Pässefahren einen Beitrag zu bezahlen. Du kannst dich gerne bei mir persönlich melden wenn du magst. Beste Grüsse Cristina