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Ankommen und Durchatmen – meine Tage auf La Gomera

Ich sitze in Valle Gran Rey im Sämi, trinke einen Kaffee und warte bis die frisch gewaschenen Kleider, welche überall in und am Sämi hangen, trocken sind. Die Zeit nutze ich, meine Erlebnisse und Gedanken niederzuschreiben. 

 

Es ist Dienstagmorgen als ich mit Sämi von Los Cristianos losfahre. In wenigen Minuten bin ich beim Hafen und darf ziemlich direkt mit Sämi auf die Fähre fahren. Pünktlich um 9.00 Uhr fahren wir los. Das Meer ist ruhig und die Fähre gleitet gemächlich dahin. Bereits nach 50 Minuten erreichen wir den Hafen von San Sebastian auf La Gomera. Die Erinnerungen von vor vier Jahren kommen gleich wieder hoch. Es sieht alles noch wie damals aus. Ausser, dass viel mehr Kaffees und Restaurant offen sind und mehr Touristen in den Strässchen spazieren. Corona lässt grüssen! 

 

Ich parke Sämi auf dem Parkplatz, wo wir bereits vor vier Jahren geparkt haben. Mittlerweile habe ich mich beim Parken den Einheimischen angepasst und parke einfach irgendwie über mehrere Parkfelder, auch egal, dass ich noch halb auf dem Behindertenparkplatz stehe. Das stört hier Niemanden. Hier wird geparkt, wie es einem gerade zu Mute ist. Ich besuche das Städtchen, kaufe mir eine Karte von La Gomera und gönne mir ein feines Croissant aus der Bäckerei. Den Kaffee dazu nehme ich dann lieber wieder im Sämi. Ich sitze nicht gerne alleine in einem Kaffee, spare das Geld lieber und meistens schmeckt der Cappuccino auf den Kanaren sowieso nicht. Im Spar decke ich mich noch mit frischen Früchten und frischem Gemüse für die nächsten Tage ein. 

 

Kurz nach Mittag fahre ich mit Sämi bis an den Strand bei Santa Catarina. Es sind nur 24 Kilometer. Die Strasse schlängelt sich zuerst den Berg hoch und dann auf der anderen Seite wieder runter. Wie vor vier Jahren, immer noch sehr schöne Strassen, ohne viel Verkehr. Ich parke direkt am Strand mit der Schiebetür in Richtung Meer. Kurz einen Kaffee, bevor ich mich auf meine erste Erkundungstour aufs Gravel begebe. Meine Vorfreude auf La Gomera hat sich gelohnt. Ich fahre eine schöne Asphaltstrasse in Richtung Nebelwald hoch. Es fühlt sich unglaublich an, nach über 5 Wochen Trockenheit endlich wieder mal den Duft von Feuchtigkeit in der Nase zu riechen und das Plätschern eines kleinen Baches zu hören. Meine Sinne und mein Geist juchzen vor Freude. Noch selten habe ich mich so über Nebel gefreut. Auf SRF-Play gibt es übrigens eine Dokumentation über den Nebelwald auf La Gomera. Das Klima ist einzigartig und dank dem Nebel können die Bäume, Sträucher und Tiere im Nationalpark von Garajonay überleben. Ich sauge den feuchten Duft bis tief in meine Lungen ein. Auch finde ich nebst den vielen frischen Feigen hier auf La Gomera frische Brombeeren. Mein Herz blüht auf und ich fühle mich wirklich frei und mit der Natur verbunden. Ich kreuze nur ganz wenige Autos. Erst ganz oben in der Nähe des Besucherzentrums des Parks treffe ich auf zwei Reisecars und ein paar Mietautos sowie Wanderer. Ansonsten habe ich die Strassen praktisch für mich alleine. Und wie ich im Blog über das Rennradparadies La Gomera bereits vor vier Jahren berichtet habe, fahren die Einheimischen extrem langsam und rücksichtsvoll. Generell liebe ich das Velofahren in Spanien. Nirgends habe ich bisher solch rücksichtsvolle Autofahrer angetroffen. Die Spanier fahren lieber fünf Minuten gemütlich hinter dir her, als dich zu nah zu überholen. Wenn dich mal einer in einer Kurve oder zu nah überholt, dann war es mit 100%-iger Garantie ein Mietauto oder ein Auto mit DE oder NL Kennzeichen. 

 

Die ersten drei Nächte verbringe ich bei Santa Catarina. Neben mir wohnt an diesem Strand noch ein junges Paar aus England in einem abgefuckten Wohnwagen. Sie ist deutlich jünger als er und grüsst mich nie. Er besucht mich mal kurz beim Sämi und erkundigt sich wo ich herkomme und wo ich überall unterwegs bin. Sie wohnen seit ein paar Monaten hier auf La Gomera. Vorher lebten sie in Huelva am Festland auf Spanien und davor in London. Deshalb die englischen Kontrollschilder am Auto. Was sie aber genau machen hat er mir nicht erzählt, nur dass sie hier im Wohnwagen leben und das Leben geniessen. Auf den Kanaren leben viele Menschen im Van oder einem Wohnwagen. Deshalb wird man wohl auch als Camper überall geduldet und nicht verjagt. Schade, dass sich gewisse Menschen, die dauerhaft im Wohnwagen wohnen so überhaupt nicht an die Regeln halten und ihre Umgebung mit Müll volllaufen lassen. Ich weiss nicht, wie lange das noch geduldet wird und schlussendlich leiden dann alle pflichtbewussten Van-Bewohner darunter, wenn plötzlich Verbote kommen. Aber schwarze Schafe gibt es leider in allen Bereichen. 

 

Auf alle Fälle geniesse ich die Ruhe und das Karma welches La Gomera auf mich ausstrahlt. Ich unternehme Erkundungstouren auf dem Bike und dem Gravel. Entdecke einsame Buchten und natürliche Pools, wo ich mich nach einem Tag auf dem Velo im Meer waschen und abkühlen kann. Zum Bodysurfen getraue ich mich an diesem Strand nicht. Die Wellen sind hoch und es hängt eine rote Fahne. Auch hat es überall Felsen und grosse Steine. Ich beobachte am Abend lieber die einheimischen Surfer, wie sie gekonnt bis zum Sonnenuntergang die Wellen reiten. Während der Nacht spüre ich den Wind, wie er an Sämi rüttelt und höre die Wellen gegen die Brandung klatschen. Es ist laut, aber beruhigend. Ich schlafe zwar immer noch schlecht, aber das hat wohl irgendwelche andere Gründe. 

 

Nach drei Nächten zieht es mich 20 Kilometer weiter bis zum Strand bei Vallehermoso. Hier war ich mit Roger vor vier Jahren für zwei Nächte. Den Picknick-Platz gab es damals bereits, neu ist ein kleiner Pool mit Sanitäranlagen sowie Liegestühlen hinzugekommen. Normalerweise nicht so mein Ding. Weil aber der Pool mit Meereswasser gefüllt wird und die Duschen auch hier wegen der Trockenheit abgestellt sind, lasse ich mich ohne schlechtes Gewissen nieder. Ich frage ein spanisches Pärchen, welches, so wie es ausschaut, hier übernachtet hat, ob man da schlafen darf. Sie meinen das sei absolut kein Problem und in der Nacht sehr ruhig. Die Strandduschen und Wasserhähnen bei den Picknick-Plätzen sind auf La Gomera wie erwähnt zum Glück überall abgestellt. Seit meiner Abreise am 19. September hat es nie geregnet. Auf Teneriffa war es noch viel trockener und dort hat es mich sehr nachdenklich gemacht, als ich beobachtet habe, dass viele Touristen direkt nach dem Baden im Meer zur Stranddusche gehen, sich dort duschen und dann an die Sonne legen. Dieses Prozedere haben die meisten Touristen mehrmals täglich gemacht? Ich durfte mir gar nicht ausmalen wie viele Liter Wasser an einem Tag nur wegen diesem Verhalten vergeudet werden. Deshalb bin ich sehr erleichtert, dass hier die Duschen abgestellt sind. Nach dem Baden im Meer ist man ja bereits sauber, da muss man nicht noch unter eine Dusche stehen (meine Meinung).

 

Auch hier erkunde ich die Gegend auf dem Gravel und zweimal auf dem Bike. Das Biken hier auf La Gomera ist immer für Überraschungen gut. Zum Teil sind die Wanderwege von Gestrüpp, Palmen und Dornen total überwachsen und dann wieder Flow ohne Ende. Auch an die Hitze scheint sich mein Körper mittlerweile gewöhnt zu haben. Ich schwitze zwar immer wie ein Wasserfall, trinke praktisch nichts, muss aber komischerweise trotzdem immer noch aufs WC. Damit ich meinen enormen Feuchtigkeitsverlust ausgleichen kann, trinke ich nach jeder Tour ein Glas mit Elotrans Pulver. Dieses Elektrolyt-Pulver haben mir die Samariter vor Jahren an der Tour Transalp gegeben, als ich wegen der Hitze und meinem abartigen Schwitzen starke Übelkeit, Kopfschmerzen und Bauchkrämpfe bekam. Seither trage ich das Pulver immer mit mir mit und es hat mir schon ein paar Mal wieder auf die Sprünge geholfen. Nach jeder Tour lege ich mich auf einen der Liegestühle an den Pool. Die Benutzung der Anlage ist für alle gratis und von Di bis So jeweils von 11.00 - 19.00 Uhr offen. 

 

Ich schlafe immer noch schlecht. Einmal erwache ich an meinen eigenen Schreien. Das passiert mir auch zu Hause immer wieder, wenn ich Albträume habe. Wenn Roger neben mir liegt, weckt er mich in der Regel immer bevor ich selbst an den Schreien erwache, weil ich angeblich zuerst immer nur leise stöhne und dann immer lauter werde. Nach einer solchen Schreiattacke habe ich meistens einen Puls von 200 und grosse Angst, weil ich immer irgendetwas Böses geträumt habe. So auch dieses Mal. Im Traum kam Jemand durch das Seitenfenster in unseren Sämi und hat mich versucht an den Beinen zu packen. Natürlich fiel mir das wieder Einschlafen danach ziemlich schwer. Ich habe ein Messer neben mich ins Bett gelegt und Rogers Schlafshirt in die Arme genommen. Der Duft nach Roger hat mich irgendwann wieder einschlafen lassen.

 

Heute morgen erwache ich, wohl wegen der Umstellung auf die Winterzeit, bereits um 6.00 Uhr. Ich kann nicht mehr liegen, stehe auf, trinke einen Kaffee und esse mein Frühstück. Weil ein frischer Wind weht, es noch schattig und kühler ist, ziehe ich meine Laufschuhe an und mache einen kurzen Trailrun die 250 Höhenmeter die Klippe rauf und wieder runter. Zum Rennen oder Wandern ist es mir tagsüber viel zu heiss, das schafft mein Körper nicht. Beim Velofahren habe ich immer den Fahrtwind und kann sitzen - sonst ginge das wohl auch nicht. Anschliessend fahre ich weiter bis Valle Gran Rey - wider nur wenige Kilometer. Auch hier war ich mit Roger bereits. Direkt am Strand darf ich hier nicht mehr parken. Es hat aber einen Bereich, welcher extra für Wohnmobile und Wohnwagen ist und hier wimmelt es von Hippies oder Aussteigern, welche dauerhaft hier wohnen. Auch sind in der Umgebung von Valle Gran Rey die Höhlenbewohner. Über die gibt es übrigens auf SRF auch eine Dokumentation. Welche zwar eher zum Fremdschämen verleitet. Dank dem öffentlichen Waschsalon kann ich meine verschwitzten Kleider wieder mal waschen und an der Sonne trocknen lassen. Nach dem Schreiben werde ich mich an den Strand begeben, meinen Kilometer im Meer schwimmen, chillen und lesen. Ich habe noch drei physische Bücher. Acht Bücher habe ich bereits gelesen. Als Backup habe ich noch meinen Tolino dabei, wo ich mir neue Bücher online runterladen kann, sobald ich ausgeschossen bin, was wahrscheinlich bereits nächste Woche der Fall sein wird! ;-) In dem Sinne verabschiede ich mich und sende sonnige Grüsse aus dem wunderschönen La Gomera.

 

Pura vida

Cristina

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